Ferienlager, Vereinsfahrten und das Pauschalreiserecht:Gilt für Ferienlager das Pauschalreiserecht?
A. Einführung in das Pauschalreiserecht
Wer privat eine Pauschalreise bucht, genießt rechtlich viele Vorteile. Ist die Reise mangelhaft, kann der Kunde seine Rechte gebündelt gegen den Reiseveranstalter geltend machen und muss sich nicht mit unterschiedlichen Vertragspartnern herumschlagen.
Beispiel: Du buchst eine Flugreise nach Kuba. Der Reiseprospekt erwähnt neben dem schönen Hotel und dem Flug als zusätzlichen, kostenlosen Vorteil den Bahntransfer zum Flughafen. Leider hat der Zug mehr als zwei Stunden Verspätung und Du verpasst Deinen Flug. Weil ein späterer Ersatzflug mehr als 2000 Euro Aufpreis kosten würde, fährst Du enttäuscht zurück nach Hause und verlangst den gesamten Reisepreis vom Veranstalter zurück.
Der Bundesgerichtshof hat im Jahr 2021 einen Rückzahlungsanspruch grundsätzlich bejaht. Es liege eine Pauschalreise vor. Die verspätete Bahnfahrt und der dadurch verpasste Flug führe dazu, dass die gesamte Reise mangelhaft sei. Dafür habe der Reiseveranstalter einzustehen.
Eine Pauschalreise liegt immer dann vor, wenn mindestens zwei verschiedene Leistungen für dieselbe Reise kombiniert angeboten werden. Zusammengehören können insbesondere die Beförderung von Personen, die Unterkunft, die Vermietung von Kraftfahrzeugen und andere touristische Leistungen – etwa Eintrittskarten für Konzerte oder Sportveranstaltungen, Ausflüge oder die Vermietung von Sportausrüstungen.
Für Reisende ist die Annahme eines solchen Pauschalreisevertrages vorteilhaft. Ausdrücklich soll das neue Reiserecht einen erhöhten Schutz auch in Online-Buchungsverfahren bieten sowie Transparenz und Rechtssicherheit gewährleisten.
Zentral für das Pauschalreiserecht ist die sogenannte Einheitslösung, wonach bei einer Pauschalreise alle einzelnen Reiseleistungen rechtlich gemeinsam betrachtet werden. Wird eine Pauschalreise durch einen Mangel erheblich beeinträchtigt, so kann der Reisende den Vertrag für alle Einzelleistungen kündigen, wenn der Reiseveranstalter nicht innerhalb einer angemessenen Frist Abhilfe leistet und den Mangel beseitigt. Steht dem Reisenden beispielsweise ein Rücktrittsrecht für eine Flugreise zu, so gilt dieses automatisch auch für das Hotel oder ein Mietauto am Ferienort.
Für den Veranstalter eines Ferienlagers oder einer Vereinsfahrt ist es dagegen mit erheblichem Mehraufwand und rechtlichen Risiken verbunden, wenn seine Reise als Pauschalreise anzusehen ist. Insbesondere gelten dann folgende Sonderregelungen:
- Informationspflichten: Der Reiseveranstalter ist verpflichtet, die Reisenden schon vor der Buchung ausführlich zu informieren. Das gilt unter anderem für die wesentlichen Eigenschaften der Reise (Zielort und Anzahl der Übernachtungen, Reiseroute, Transportmittel, Unterkunft, Mahlzeiten, Besichtigungen, ungefähre Gruppengröße, eine etwaige Mindestteilnehmerzahl, Pass- und Visumerfordernisse), die Möglichkeit, vom Vertrag zurückzutreten sowie eine Reiserücktrittskostenversicherung abzuschließen.
- Insolvenzsicherung: Der Veranstalter hat sicherzustellen, dass den Reisenden der gezahlte Reisepreis erstattet wird, sofern er insolvent wird und deshalb Reiseleistungen ausfallen. Die vorgeschriebene Absicherung ist über den Deutschen Reisesicherungsfonds (https://drsf.reise) oder andere Unternehmen möglich. Beim DRSF werden dafür 1 Prozent des Jahresumsatzes mit Pauschalreisen fällig.
- Rücktrittsrecht des Reisenden: Vor Reisebeginn hat der Reisende jederzeit das Recht, den Vertrag zu stornieren. Er muss dann – von Ausnahmen abgesehen – lediglich eine angemessene Entschädigung bezahlen. Was das für Kündigungen infolge der Corona-Pandemie bedeutet, lässt sich nur im Einzelfall beantworten. Für eine Absage der Reise durch den Veranstalter gelten im Übrigen besondere Fristen. Der Reiseveranstalter verliert dann seinen Anspruch auf den Reisepreis und muss etwaige Anzahlungen zurückzahlen.
- Minderungsrecht des Reisenden: Bei Mängel kann der Reisepreis gemindert werden. Das gilt etwa, wenn die Reise mit einer erheblichen Verspätung beginnt oder endet. Das Amtsgericht München hält eine Minderung von bis zu 7,5 Prozent des Reisetagespreises pro Stunde Verspätung für angemessen.
Diese Anforderungen zu erfüllen, stellt Veranstalter ohne eigene Rechtsabteilung oder entsprechende Beratung vor erhebliche Herausforderungen.
B. Ausnahme für Ferienfreizeiten und Co.
Fraglich ist allerdings, ob all diese Vorschriften, die mit Blick auf professionelle Reiseunternehmen erlassen wurden, auch für Veranstalter von Ferienlagern, Vereinsfahrten oder Klassenfahrten gelten. Eine pauschale Freistellung von Non-Profit-Organisationen gibt es im Pauschalreiserecht nicht. Andererseits erkennt schon die europäische Pauschalreiserichtlinie an, dass Wohltätigkeitsorganisationen, Sportvereine oder Schule nicht mit unzumutbarem Aufwand belastet werden sollen, wenn sie „lediglich wenige Male im Jahr“ Reisen für ihre Mitglieder veranstalten.
Der deutsche Gesetzgeber hat den Anwendungsbereich deshalb auf Reise-„Unternehmer“ beschränkt. Wer nicht in Ausübung seiner gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit handelt, bleibt mangels Unternehmereigenschaft also außen vor. Damit dürften alle ehrenamtlich organisierten Fahrten von Kirchen und Vereinen grundsätzlich nicht den strengen Vorgaben des Pauschalreiserechts unterliegen.
Erst wenn eine gemeinnützige Organisation oder eine Bildungseinrichtung unternehmerisch handelt, was etwa beim ADAC oder einer hauptamtlich besetzten kirchlichen Jugendeinrichtung zu bejahen sein dürfte, kommt es auf die zusätzlichen Ausnahmen in § 651a Abs. 5 BGB an. Danach gilt das Pauschalreiserecht nicht in folgenden Fällen:
1. Reisen, die nur gelegentlich, nicht zum Zwecke der Gewinnerzielung und nur einem begrenzten Personenkreis angeboten werden,
2. Tagesreisen, die weniger als 24 Stunden dauern und deren Reisepreis 500 Euro nicht übersteigt.
Damit Ferienlager unter die erste Ausnahme fallen, müssen alle dort genannten Voraussetzungen kumulativ erfüllt sein. Reisen dürfen vom Veranstalter (dem Verein, der Kirchengemeinde usw.) also nur gelegentlich angeboten werden. Entscheidend ist, dass die Tätigkeit keinen systematischen Charakter hat und nicht darauf ausgerichtet ist, in regelmäßiger Wiederkehr eine Mehrzahl von gleichartigen Reisen anzubieten. Bei weniger als zehn Reisen im Jahr lässt sich das gut annehmen. Finden mehr Reisen statt, wird es sicher eng, wenngleich das Gesetz keine genaue Obergrenze nennt.
Weiterhin darf der Veranstalter nicht beabsichtigen, mit der Reise einen Gewinn zu erzielen. Die Kalkulation des Reisepreises darf also keine Gewinnmarge enthalten. Unschädlich ist es dagegen, wenn am Ende trotzdem ein kleiner Überschuss verbleibt und einer Rücklage zugeführt wird.
Schließlich dürfen Gelegenheitsreisen nur einem begrenzten Personenkreis angeboten werden. Das ist der Fall, wenn die Zielgruppe nach objektiven Kriterien abgrenzbar ist, die Fahrt also etwa nur Vereinsmitgliedern, ehrenamtlich Engagierten aus einer Region usw. offensteht. Je öffentlicher einer Reise beworben wird und je größer der Teilnehmerkreis ist, desto schwieriger kann man jedoch das Vorliegen einer Pauschalreise bestreiten.
Indes ist nicht zu erwarten, dass die Rechtsprechung in dieser Frage besonders restriktiv vorgehen wird. Das strenge Pauschalreiserecht soll Verbraucher schützen, nicht aber gemeinnützige Gelegenheitsveranstalter in ihrer Kinder- und Jugendarbeit behindern. Deswegen dürfte das Pauschalreiserecht für viele Ferienlager und Mitgliederfahrten von Kirchen oder Vereinen allenfalls mittelbar relevant sein. Kommt der Veranstalter zu dem Schluss, dass im Einzelfall die besonderen Vorschriften über Pauschalreisen nicht anwendbar sind, sollte er die Teilnehmer darauf vor dem Vertragsschluss hinweisen. Im Übrigen bietet es sich unabhängig von einer rechtlichen Verpflichtung an, bei der Ausschreibung einer Reise die Teilnehmer gründlich zu informieren und sich dabei an den Informationen zu orientieren, die für Pauschalreisen vorgeschrieben sind. Transparenz hilft, um später Konflikte zu vermeiden.
C. Alternative: Reiseveranstalter einbeziehen
Wer sich die Fragen rund um das Reiserecht sparen will, kann überlegen, ob er einen professionellen Veranstalter einbezieht, der Gruppenreisen anbietet. Entscheidend ist dann aber, dass die Reiseverträge zwischen diesem Veranstalter und den einzelnen Reisenden geschlossen werden. Der Verein/die Jugendgruppe tritt dann nach außen gar nicht als Veranstalter auf und geht somit auch keine vertraglichen Haftungsrisiken ein. Je teurer eine geplante Reise ist, desto eher könnte sich ein solches Vorgehen anbieten. Ob das im Einzelfall praktikabel ist, hängt nicht zuletzt davon ab, ob ein externer Reiseveranstalter das gewünschte Programm anbieten kann.
D. Checkliste für Ferienlager
- Wer ist der Veranstalter der Reise? Wer schließt also den Vertrag mit den Teilnehmern?
- Handelt der Veranstalter unternehmerisch, übt also mit der Reise eine gewerbliche Tätigkeit aus?
- Falls ja: Bietet der Veranstalter Reisen nicht nur gelegentlich, zum Zwecke der Gewinnerzielung oder einem unbegrenzten Personenkreis an?
Werden beide zuvor genannten Fragen mit Ja beantwortet, liegt eine Pauschalreise im Sinne des Reiserechts vor. Der Veranstalter muss besonders strenge Vorschriften beachten etwa zu Informationspflichten, Sicherungsschein und Rücktrittsrechten.
Wird eine von beiden Fragen mit Nein beantwortet, liegt keine Pauschalreise vor. Die Spielräume sind dann größer. Wesentliche Fragen können in der Anmeldung selbst geregelt werden.